Kommentar: Die Kompetenzkarriere als neues Arbeitsmodell

Max Hülsebusch
Kommentar: Die Kompetenzkarriere als neues Arbeitsmodell

Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter einmalig vor die Wahl stellen, eine Managementlaufbahn oder eine Fachkarriere zu verfolgen. Moderne Karrieren müssen flexibel sein. Der Verlauf einer Karriere sollte sich an Kompetenzen orientieren und nicht durch antiquierte Strukturen vorherbestimmt sein. Diese These ergibt sich aus einem interessanten Diskussionsforum, das am 13. November 2014 im Rahmen der electronica - der Weltleitmesse für die Elektronikindustrie - stattfand.

Auf dem Podium diskutierten Vertreter der Unternehmen Robert Bosch, STMicroelectronics, Würth Elektronik, SchuhEder Consulting, P4 Career Consultants sowie eine Professorin für Arbeitssoziologie der Goethe Universität Frankfurt über das Thema „Fachkarriere vs. Managementlaufbahn. Welcher Weg führt langfristig zum Erfolg?“

Renate Schuh-Eder – die als Moderatorin die Diskussionsrunde begleitete - kommt zu dem Schluss, dass diese Fragestellung nicht richtig gewählt war: „Letztlich haben wir dem Zuhörer schon durch das Thema zu verstehen gegeben, dass er sich für eine Seite entscheiden muss. Wir haben bei der Themenwahl einfach den Standard der Industrie übernommen. Im Laufe der Diskussion hat sich schnell abgezeichnet, dass es nicht den perfekten oder glückselig machenden Karriereweg gibt. Bei beiden Optionen müssen die Mitarbeiter Abstriche machen. Außerdem bestimmt die Entscheidung meist das restliche Berufsleben bis zur Rente. Dieses Fazit war für mich persönlich nicht zufriedenstellend.“  

Die folgenden Rahmenbedingungen in unserer Arbeitswelt können als Grundlage dafür genommen werden, dass die gängigen Karrierewege tatsächlich in Frage gestellt werden müssen: 
  • Historische Entwicklung von beruflichen Laufbahnen
    Ein sicherer Arbeitgeber für das ganze Leben? Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Fusionen von Unternehmen, kurzlebige Start-ups, Umstrukturierung in Großkonzernen – das sind die Themen, die heute unseren Arbeitsalltag bestimmen. Zudem schaffen die hohe Internationalität, die Sinnfrage der Generation Y und vieles mehr ganz neue Rahmenbedingungen. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer müssen sich in dieser turbulenten Umgebung erst einmal zu Recht finden.

  • Hohe Arbeitsplatzunsicherheit bei Managern
    Welcher Manager kann absolut sicher sein, dass er seine Position morgen noch inne hat? Im Namen der Effizienz werden insbesondere mittlere Managementpositionen zunehmend minimiert. „Flache Strukturen“ ist das Keyword, auf das selbst die großen Unternehmen hinarbeiten. Im Falle einer Kündigung ist es für diese Manager jedoch sehr schwer, zeitnah wieder eine adäquate Funktion mit einem ähnlichen Gehalt zu finden. Frank Vernauer, Geschäftsführer der Outplacement-Beratung P4 Career Consultants, hat im Rahmen der Podiumsdiskussion bestätigt, wie schwer es ist, gekündigte oder im Aufhebungsvertrag befindliche Manager aufzufangen. Es müssen ein Kompetenzprofil herausgearbeitet und neue berufliche Optionen gefunden werden. Für diesen Prozess vergeht schnell mal ein Jahr! 

  • Hohe Unzufriedenheit der Spezialisten / Fachkräfte
    Anerkennung ist auf der Ebene der technischen Spezialisten und Fachkräfte nicht spürbar. Die Managemententscheidungen können oft nicht nachvollzogen werden, da diese schlichtweg falsch kommuniziert oder im schlimmsten Fall gar nicht erklärt werden. Zugleich steigt der Aufwand für Reporting. In der Summe führt das zu einer Arbeitsleistung, die für beide Seiten frustrierend ist und bei weitem nicht das Potential der Mitarbeiter ausschöpft.  Obwohl sich die Unternehmen bei der Gestaltung der Fachkarriere durchaus Mühe geben, hört man doch immer wieder, dass die Fachkarriere „Bullshit,  ein „Placebo“  oder eine „Scheinkarriere“ sei.

  • Generationskonflikte
    In unserer Arbeitswelt prallen derzeit zwei Generationen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite die Generation der Babyboomer, die für das traditionelle und sicherheitsbewusste Karrierestreben steht. Auf der anderen Seite die Generation Y oder auch die Digital Natives die nach einem Sinn und nach Glück in ihrer Arbeit suchen. Bei der Robert Bosch GmbH vollzieht sich gerade dieser Wandel. Doch auch in der Generation Y gibt es Arbeitnehmer die dem klassischen Karriereweg bis ins Management folgen, obwohl es innerlich ihrer Überzeugung wiederstreben mag. Prof. Heather Hofmeister, Professorin für Arbeitssoziologie an der Goethe Universität in Frankfurt, führt das u. a. auf die Gesellschaft zurück, die den Anspruch der Menschen prägt. So ist es doch das klischeehafte „Mein Auto, mein Haus, mein Boot!“, das die Menschen in den traditionellen Karrieren hält. Solange uns noch interessiert, was unser Nachbar besitzt oder macht und wir die Wertigkeit eines Menschen an diesen Statussymbolen messen, wird es schwer werden, neue Wege zu gehen.
     
  • Schnelligkeit und Wandel
    Die technischen Möglichkeiten erlauben es uns, theoretisch 24 Stunden von überall auf der Welt zu arbeiten. Alleine dieser Umstand macht komplett andere Arbeitsprozesse und Kommunikationswege nötig.  Und es lässt sich nur schwer sagen, inwiefern die nächsten bahnbrechenden Innovationen unser Arbeitsleben erleichtern bzw. erschweren werden.

  • Das Ende der Arbeit
    Beschäftigt man sich mit den Thesen von renommierten Gesellschafts- und Wirtschaftstheoretikern, wie z.B. Jeremy Rifkin, so gibt es interessante Gedankenansätze, die im Grunde unser gesamtes (Arbeits-)System in Frage stellen. Die Automatisierung verdrängt zunehmend den Menschen als Arbeitskraft aus der Produktion und immer mehr auch aus anderen Bereichen. Durch die Kostenlos-Kultur des Internets bezahlen User mit ihren Daten, anstatt mit Geld. Die Grenzkosten vieler Unternehmen bewegen sich Richtung null. Das stellt unser gesamtes Kapitalismus-System – das letztlich auf Gewinnstreben aufgebaut ist - auf den Kopf und wird massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben.
Es muss also in Zukunft bessere und effektivere Systeme geben, die nachhaltig unseren Arbeitsalltag prägen. Die vorrangigen Ziele müssen neben den wirtschaftlichen Aspekten das Miteinander, die gegenseitige Wertschätzung und gemeinsame Erfolge sein. Welche Karriere könnte diesen Spagat schaffen? Der Begriff Kompetenzkarriere – als Verbindung beider Welten trifft es – unserer Ansicht nach – am besten.

Kompetenzen sollten im Fokus unserer Arbeit stehen. Unternehmen als Ganzes, Abteilungen mit ihren Schwerpunkten oder auch einzelne Projekte fordern bestimmte Kompetenzen der Mitarbeiter ein.  Doch diese fachlichen und sozialen Fähigkeiten fliegen den Menschen nicht einfach zu, sondern müssen erarbeitet werden. Kompetenzen entwickeln sich weiter und verhalten sich beinahe organisch. Einige werden regelmäßig „gegossen“ und wachsen in Verbindung mit den Interessen und Zielen der Menschen. Andere Kompetenzen stagnieren oder bilden sich über die Jahre sogar zurück. Überträgt man diesen Ansatz auf die starre Management- oder Fachkarriere, zeichnen sich schnell die Grenzen dieser beiden Ansätze ab. Die Beförderung zum Manager ist eine Einbahnstraße, in der jahrelang nur bestimmte Kompetenzen des Mitarbeiters beachtet und alle andere Fähigkeiten ignoriert werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Ingenieur in der Fachkarriere, der in seinem Nischenprojekt feststeckt, obwohl er in den vergangenen Jahren unbemerkt seine Führungskompetenzen weiterentwickelt hat.

Ein innovatives Unternehmen müsste demnach situativ, in Abhängigkeit vom jeweiligen Arbeitsthema die erforderlichen Kompetenzen und Teams zusammenstellen. Nur so kann eine Firma im Sinne von Wertigkeit, Sinnfrage, Anerkennung, Effizienz, Erfolg und auch Gehalt authentische und nachvollziehbare Systeme entwickeln. Diese Systeme können sich regelmäßig verändern und müssen flexibel bleiben. Denn genau wie die Welt um uns herum, verändert sich auch die Motivation der Menschen.“Einmal Manager – immer Manager“ kann nicht die Antwort sein. Der Weg „zurück“ oder besser: der Weg bei dem man sein Know-how und seine Leidenschaft voll einbringen kann, muss geebnet werden. Und geht jemand diesen Weg, darf das nicht als beruflicher Rückschritt gewertet werden.

Zugegeben: Würde man in diese Richtung weiter denken, stellt man beinahe alles auf den Kopf, was an etablierten HR-Strukturen und an Vorgaben im deutschen Arbeitsrecht verankert ist.

Aber: Die Welt steht bereits auf dem Kopf – nur die HR-Systeme kommen mit diesem Tempo nicht mehr mit. Es wird Zeit, dass sich das ändert.

Autoren: Renate Schuh-Eder / Maximilian Hülsebusch


Autor: Max Hülsebusch


Kategorie: Branchennews

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