Studie sieht Defizite in der Ingenieurausbildung

Corinne Schindlbeck
Studie sieht Defizite in der Ingenieurausbildung

Seit 15 Jahren ist die Bologna-Reform in Kraft. Wie steht es um die Ingenieurausbildung in Deutschland? Das hat eine Studie unter die Lupe genommen. Die Ergebnisse haben die Verbände VDMA und VDI gleichermaßen aufgerüttelt.

Kurz nach dem Bologna-Beschluss war der Widerstand gegen die europaweite Reform noch groß: Verbände und Hochschulprofessoren gleichermaßen beklagten den Wegfall des Diplomingenieurs zugunsten Bachelor und Master. Doch irgendwann hörte das öffentliche Lamentieren auf, allenfalls noch hinter vorgehaltener Hand wurde über den Schmalspur-Ingenieur Bachelor gelästert. Jedoch: Bis heute empfiehlt etwa der VDE angehenden Elektroingenieuren den Master-Abschluss. 

Nun hat eine Studie "15 Jahre Bologna-Reform: Quo vadis Ingenieurausbildung?" von VDMA, VDI und Stiftung Mercator den Status Quo der Bologna-Reform untersucht. Für die Studie wurden Studierende, Hochschullehrende, Absolventen und Unternehmensvertreter zum aktuellen Stand befragt: Wie gut können die deutschen Hochschulen mit den Bologna-Anforderungen inzwischen umgehen? Wie gut vorbereitet sind die Studentinnen und Studenten auf die Ingenieurausbildung? 

Die wichtigsten Ergebnisse laut Studie: Die Ingenieurausbildung in Deutschland ist zukunftsfähig. Die Hochschulen „können“ Bologna. Auch in den Unternehmen sind Bachelor und Master akzeptiert. 

Doch es bleiben „Herausforderungen“: Da ist zum einen Verbesserungsbedarf in der Berufsvorbereitung. Bei 43 Prozent der Bachelor- und 37 Prozent der Master-Studierenden vermissen Arbeitgeber Praxiskenntnisse stark bis sehr stark. Genau diese Kenntnisse sind aber für fast die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent) für eine Einstellung entscheidend. 81 Prozent der Unternehmen werten auch soziale Kompetenzen der Bewerber, ihr Auftreten und ihre Präsentation als wichtig. Laut der Studie weisen jedoch Bachelor- und Master-Absolventen diese Kompetenzen nur zu 23 beziehungsweise 32 Prozent auf.

Hingegen sind Duale Studiengänge beliebt, laut Studie „ein Erfolgsmodell“: Die Hochschullehrenden beurteilen diese praxisnahe Ausbildungsform, bei der die Unternehmen beteiligt sind, zu 72 Prozent als gut bis sehr gut. 69 Prozent der befragten Führungskräfte von Unternehmen geben an, durch duale Studiengänge gute bis sehr gute Nachwuchskräfte gewonnen zu haben. 

Negativ bewertet die Studie die starke Zersplitterung der Studienlandschaft und die mangelnde Vergleichbarkeit, die daraus resultiert: Fast jeder vierte der befragten Studierenden weiß nicht, ob er später die Berufsbezeichnung Ingenieur tragen darf. Dieser Missstand liegt laut Studie am vielfältigen Angebot von spezialisierten Bachelor-Studiengängen und einem fehlenden einheitlichen akademischen Grad für Ingenieurstudiengänge.

Die Hochschulart spielt bei der Einstellung eine geringe Rolle. 64 beziehungsweise 60 Prozent der Führungskräfte in Unternehmen gaben an, keine Präferenz für Fachhochschulen oder Universitäten zu haben. Nachholbedarf gibt es beim Forschungsbezug: Selbst bei den Lehrenden der Universitäten geben nur 41 Prozent an, in speziellen Lehrveranstaltungen Forschungsmethoden gut oder sehr gut zu vermitteln. Bei ihren Studierenden sind nur 25 Prozent der Meinung, hier gut bis sehr gut etwa auf eine Promotion vorbereitet zu sein. Fast 80 Prozent der Bachelor- und Master-Studierenden antworten zudem, über keinerlei Auslandserfahrung zu verfügen. Und über die Hälfte aller Studierenden erhielt in ihrem Studium keine oder kaum die Förderung von Fremdsprachen.

Hartmut Rauen, stellvertretender VDMA-Hauptgeschäftsführer, sieht als Konsequenz aus den Ergebnissen „dringenden Handlungsbedarf“: „In der Ingenieurausbildung muss die Praxisorientierung weiter ausgebaut werden. Die Fachhochschulen zeigen, dass mehr Praxis im Studium möglich ist. Auch die Bedeutung des dualen Studiums ist bei Hochschullehrenden und Unternehmen unumstritten.“ Die Studie bewerte für den Berufseinstieg Praxissemester und -module der Fachhochschul-Studiengänge ebenso positiv wie die dualen Studiengänge, so Rauen. „Das zeigt: Nur eine stark anwendungsorientierte Ausbildung bereitet die Studierenden optimal auf eine Industrielaufbahn vor.“

Der Präsident des VDI Prof. Udo Ungeheuer wünscht sich „unbedingt“ wieder Transparenz in den  Abschlüssen: „Der VDI fordert die Einführung der akademischen Grade Bachelor und Master of Engineering oder Master of Science in Engineering.“  Mit solchen einheitlichen Graden werde es gelingen, die Marke ‚German Engineering‘ „weiter zu stärken“. 

Die Studie wurde vom Institut für Innovation und Technik (iit) in der VDI/VDE Innovation + Technik GmbH durchgeführt. Befragt wurden 1300 Studierende der Ingenieurwissenschaften, knapp 400 Hochschullehrende, mehr als 1400 Fach- und Führungskräfte in Unternehmen sowie gut 250 Absolventen, die kürzlich in den Beruf eingestiegen sind.


Autor: Corinne Schindlbeck


Kategorie: Branchennews

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